Wurde der Pflichtteilsanspruch dadurch geschmälert bzw. vollständig ausgehöhlt, dass der Erblasser noch zu Lebzeiten Vermögenswerte an andere verschenkte, so hat der Pflichtteilsberechtigte einen Pflichtteilsergänzungsanspruch. Jeder der pflichtteilsberechtigt ist, ist auch pflichtteilsergänzungsberechtigt.

Bei der Wertberechnung der anzurechnenden Schenkung wird differenziert zwischen dem Zeitpunkt der Schenkung und dem Zeitpunkt des Erbfalls.

Bei verbrauchbaren Sachen (wie z.B. Geld, Wertpapiere) wird der Wert zum Zeitpunkt der Schenkung in Ansatz gebracht und durch Indexierung entsprechend dem Verbraucherpreisindex angepasst.

Bei nicht verbrauchbaren Sachen (wie z.B. bei Grundstücken) wird zunächst auf den Verkehrswert zum Zeitpunkt des Erbfalles abgestellt. War der Wert des Grundstückes jedoch bei der Schenkung (Eintragung im Grundbuch) niedriger, so gilt nach dem sogenannten Niederstwertprinzip dieser Wert.

Aufgrund der vielen zu beachtenden Besonderheiten ist hier eine gewissenhafte Berechnung notwendig. Ansonsten verschenkt der Pflichtteilsergänzungsberechtigte hier nochmals unnötig viel Geld.

Zehnjahresfrist:

Sind beim Erbfall schon 10 Jahre seit der Leistung der Schenkung vergangen, so bleibt die Schenkung unberücksichtigt. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch entfällt vollständig. Schenkungen innerhalb der Zehnjahresfrist dagegen werden nach der Pro-Rata- oder Abschmelzungslösung berücksichtigt. Danach werden jeweils 10% des Schenkungswertes pro vollständig verstrichenem Jahr nach der Schenkung vom Schenkungswert abgezogen. Hat beispielsweise der im Februar 2017 verstorbene Erblasser im März 2010 insgesamt 100.000 € verschenkt, so wird die für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruch maßgebliche Schenkung wegen der zwischenzeitlich 6 vollständig abgelaufenen Jahre um 6/10 „abgeschmolzen“. Die Schenkung wird dadurch nur noch mit 40.000 € (4/10) bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs berücksichtigt und indexiert.

Hier gelten folgende Ausnahmen: Die Zehnjahresfrist läuft nicht bei Schenkungen unter noch verheirateten Eheleuten und eingetragenen Lebenspartnern und bei einer Schenkungen eines Grundstücks unter Nießbrauchsvorbehalt.

Da der Pflichtteilsergänzungsanspruch juristisch und mathematisch kompliziert zu berechnen ist, empfiehlt es sich hier stets, einen auf das Erbrecht spezialisierten Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen.